Ein Sitzungszimmer. In der Traditionsecke zwei über einer Urne gekreuzte Fahnen. In der Agitpropecke, unter einem bildlosen Rahmen, eine alte Wandzeitung. Vor der Stirnwand, auf einem Podium, die Plätze des Präsidiums. Darüber, an der Wand, aus Beton ein Staatswappen. In der Mitte des Raumes ein langer Tisch mit einer grünen Decke. Auf dem Boden ein schwerer Teppich. Keine Fenster. Stahltüren.
Auf dem Tisch liegen die Überreste des Versagers. Der Funze stößt sie mit einem Billardstab an, um zu sehen, ob noch Leben in ihnen ist. Das amputierte Orakel reinigt Boden und Wände von den Spuren des Verhörs und ordnet die Aktenstapel auf den Stühlen. Der Ewige Genosse betrachtet das Durcheinander der verwendeten Werkzeuge und Instrumente, die auf einer Anrichte verstreut liegen.
Der Telegenius, das Feindbild und die Ökopsyche betreten den Raum und nehmen im Präsidium Platz. Die Sitzung kann fortgesetzt werden.
Der Funze fasst die Ergebnisse der bisher geleisteten Arbeit zusammen, würdigt die Fortschritte, die erzielt werden konnten und hebt die hohe Verpflichtung hervor, die es weiterhin zu übernehmen gilt.
Der Ewige Genosse betont sowohl die Richtigkeit der getroffenen Maßnahmen, als auch die Notwendigkeit ihrer prinzipiellen Übereinstimmung mit den grundlegenden Beschlüssen, deren strikte Einhaltung und konsequente Umsetzung jederzeit zu gewährleisten sind.
Der Funze weist diese Einschätzung seiner experimentellen Kritik des Menschen auf das entschiedenste zurück und unterstreicht ihre historische Unerläßlichkeit. Das Präsidium stellt einstimmig die weitere planmäßige theoretische wie praktische Umgestaltung der Humanität unter den neuen Bedingungen als Hauptaufgabe fest. Rot lodert es auf. Blutrunst im Sitzungszimmer. Das amputierte Orakel zerrt das Haustier herein. Es ist über und über bedeckt von Ungeziefer aller Art und schreit erbärmlich. Der Funze wirft das Haustier auf den Tisch und unterzieht es der Tortur. Der Ewige Genosse trieft vor Schweiß. Den Mitgliedern des Präsidiums ist nichts Unmenschliches fremd. Dem Haustier pressen Schmerz und Angst entsetzliche Verwünschungen und Klagen aus. Es krümmt sich kläglich. Auch der Funze läßt es an Schmähungen nicht fehlen. Er saugt das Haustier aus bis auf das Mark. Das Licht wird langsam gelb. Das amputierte Orakel kommt mit einem Servierwagen ins Zimmer. Es gibt Kaffee und Kuchen.
Der Ewige Genosse stellt fest, daß das Experiment der humanen Erneuerung zum Scheitern verurteilt ist und beantragt die Absetzung des Funzen. Der Funze wirft dem Ewigen Genossen Verrat vor und verlangt dessen Verhaftung. Der Telegenius weist diese Forderung empört zurück und bezichtigt den Funzen des Sektierertums.
Die Ökopsyche vermag weder der Argumentation des Telegenius zu folgen, noch sieht sie sich in der Lage, den Standpunkt des Funzen zu teilen. Das amputierte Orakel verurteilt die Haltung der Ökopsyche und klagt sie der Mitschuld an den Verbrechen des Telegenius an.
Das Feindbild stürzt sich mit einem Wutschrei auf den Ewigen Genossen. Der Kuchen fliegt durch die Luft. Das amputierte Orakel verbeißt sich in die Ökopsyche. Das Geschirr geht zu Bruch. Der Funze und der Telegenius würgen einander. Der Tisch und die Stühle fallen um.
Das Licht wird schwarz. Ein blutiger Klumpen rollt durch das Sitzungszimmer. Alle versetzt das Massaker in Ekstase. Verzückt rotten sie sich gegenseitig aus.
Die Politik verkommt unter ideologisch-traumatischen Bedingungen zur Aggression, die sich im Zustand des Metastasierens befindet. Es ist ein Zustand der sich zerfleischenden Blutrünstigkeit und folternden Selbstqual. Er stellt sich her durch das endlosschleifenförmige Aufeinandereinwirken der Größen Tod, Zeit, Sinn und Gewissen. Dabei besteht die Aggression des Todes in der Verdammtheit und Ausrottung, die Aggression der Zeit im Zerfall und Ausschluß durch Vergessen und Schweigen, auch in der Endlosigkeit des Stillstandes. Die Aggression des Sinns besteht im Verrat und die Aggression des Gewissens in der Rache.
Im Positiven ist Macht geordnet, kontrolliert, in ihrer Anwendung und Auswirkung möglichst berechenbar. Aggressivität ist der negative Machtausbruch, die ungeordnete, unkontrollierbare, nicht beherrschte, tyrannische Form der Macht. Gewalt und Gewalttätigkeit können latent, gleichsam unter der Oberfläche anwesend sein, und doch ein kontrolliertes Element des Politischen bleiben. Es kann aber, so unter ideologisch-traumatischen Umständen, zum vollständigen Ausbruch kommen. Dann werden alle anderen Elemente des Politischen verdrängt. Machtausübung in Form der Aggression läßt sich qualitativ und quantitativ beschreiben. Die Qualität ist instinkthaft, und die Gewalt selbst wird als ideologischer Instinkt definiert. Wobei diesem Instinkt eine Dialektik innewohnt, die zur Quantität und Modalität führt. Nämlich der Metastasie. Diese wiederum ist Ergebnis der schleifenförmigen Anordnung der hier wirkenden Kräfte.
Die Metastasie ist die besondere Form, in der sich die Aggression äußert. Primär ist das Trauma. Die Gewalt bricht, als Sekundärvorgang unkontrolliert, scheinbar gesetzlos, zur Oberfläche durch und reißt Bereiche mit sich, die sonst vom Trauma selbst nicht berührt worden wären. Es lassen sich dabei eine ausbreitende und eine zusammenziehende Komponente feststellen, oder ein statisches und ein metastatisches Moment. Der Ausbruch einer Aggression kann somit als Über-Zustand gezeigt werden...
Das hat Auswirkungen auf die Schleifenförmigkeit der Anordnung des Bildes. In Bezug auf die Figuren, welche die Aggression durchführen, heißt der Punkt des Ausbruchs der Gewalt : Wollust. Um diesen Moment oder Punkt der Wollüstigkeit schlägt die Dialektik des ideologischen Instinktes der Gewalttätigkeit metastasierend ihre Schleifen. Der Punkt der Wollüstigkeit und die Schleifen der Gewalttätigkeit ergeben das Bild einer hermetischen Unendlichkeit der Qual und des Schmerzes. Die eine Schleife könnte als Zustand des Rausches beschrieben werden, qualitativ mit Merkmalen des Sumpfes behaftet. Will man eine ideologische Kategorie benutzen, bietet sich an, diese Schleife „Fatalismus der Taktik“ zu nennen.
Die andere Schleife könnte bezeichnet werden als ein Zustand des Krampfes, qualitativ zu beschreiben wie Eis. Das ideologisch-traumatische Etikett dieser Schleife wäre dann „Fanatismus der Strategie“.Besser aber sind folgende Begriffe. Ich nenne den Ausbruchspunkt der Aggression die Wollust der Dialektik, um welchen sich die beiden Instinktkreise, Fatalismus der Taktik und Fanatismus der Strategie, schleifenförmig schlagen und eine metastasierende, das heißt einen Über-Zustand ergebende Art, Weise und Form der Aggression ermöglichen. Es ist dies die rauschhafte und gleichzeitig krampfhafte Situation eines ideologisch-traumatischen Massakers, wie sie zum Beispiel auf Sitzungen stattfinden kann...
Das ganze Bild ist der große Traum von der Gewalt, und der Schreiber - der Tod - ist der große Träumer, der die Entrümpelung des ideologischen Unterbewußten organisiert und betreibt. Diese Entmüllung des ideologischen Unterbewußtseins, besonders seines Großsymbols, des neuen Menschen, in der Form so genannter experimenteller Korrekturen, ist nichts anderes als die Revolution selbst, allerdings in ideologischer Gestalt. Der Traum des Schreibers ist blutrot, haßgelb und todschwarz eingefärbt...
Fatalismus der Taktik
Dieser, auch als Sumpf oder Rausch beschriebene, ideologische Instinktkreis entspricht einem Zustand der Kraftlosigkeit, Abgebrochenheit, fuchtelnder Weichheit, schwach-willenloser Getriebenheit, wo sich das Böse und Verbrecherische, wie um einen Halt oder Ansatzpunkt zu finden, wuchernd über alles erstreckend, jeden nur denkbaren Bereich in das Kalkül der Gewaltausübung einbezieht. Wie eine züngelnde Schlange leckt die Gewalt über alles hin, um das Opfer zu wittern, dem der höllische Biss gilt...
Während im zweiten Bild ideologische Fickarbeit geleistet wurde, bricht hier die ideologische Perversion offen aus. Der Gewaltausbruch verschafft ideologische Wollust. Darum dreht sich alles. Die Wollust ist auf dem Höhepunkt nicht dauernd zu halten, sondern nur über das endlose Durchlaufen der Instinktschleifen. Es ist wie das blutunterlaufene, triefäugige, perverse, vorbereitende Manipulieren eines Triebtäters. Sadistische und masochistische Untaten treiben auf den Wollustpunkt zu, und über diesen hinweg in den Krampf der geschehenen Tat, die erstarrenmachende Vollendung, den Mord. Der Wollustpunkt der Ideologie ist auch der dialektische Umschlagpunkt der ideologischen Instinkte, die von ihm angezogen werden. Die Instinktschleife wird durchlaufen, bis alles in verklumpender Ausrottung endet...
Fanatismus der Strategie
Dies ist der Zustand, um dessen Erreichung willen der vorherige sich anstaut, bis er über den Wollustpunkt hinwegkommt. Es ist der Eiszustand oder Krampfzustand des wollüstigen Verharrens. Herrisch, aufgerichtet, heischend, fletschend, rasend, steif, trunken, starr, heiß, brünstig, peitschengerade, nackt, wild, wüst, schmatzend... Was vorher vermummter Reiz war, tritt jetzt unmaskiert, bloß, offen zu Tage. Der Terror des Primitiven, der Schreck des Banalen, der Horror der Impotenz, die Unberechenbarkeit des Grauens haben sich zur schrecklichen Eindeutigkeit geklärt. Nur das Absacken in den Taktik-Instinktkreis kann wieder neue punktförmige, augenblickliche Wollust bringen. Das fanatisch-hemmungslos angestrebte Endziel der totalen Vernichtung kann immer nur einen Moment lang festgehalten werden. Dann muß es durch die Fatalität der Taktik erneut erworben werden...
Die unmittelbar aus diesem ideologisch-traumatischen Zustand abgeleiteten theatralischen Formen sind der Schauprozess und die Sitzung. Beidemal auf der Instinktebene ablaufende Unterwürfigkeit, das winselnde sich Hingeben an die Gewalt, im Wechselspiel mit der, jedes Maß der Beherrschung verlierenden Gewaltausübung. Es sind primär keine geschlechtlichen Beziehungen. Obwohl in vielem die Instinkte des Fleisches beteiligt sind, bleibt das Fleisch Metapher. Es geht um ideologische Instinkte im Rahmen einer Krise der Weltanschauung. Es sind fast gleich aussehende Unterwerfungs- oder Überordnungsmechanismen. Der Fanatismus der Strategie ist statisch, wie eine geschlechtliche Wahnvorstellung. Um diese zu erreichen, muß die fatalste Taktik herhalten. Es wird zum Beispiel mit dem Mittel der Selbstbezichtigung in der absurdesten Form taktiert, man liefert sich aus, nur um das starre Ziel der Verzeihung zu erhalten. Und gerade dabei muß man immer über den Punkt der ideologischen Wollust hinweg... (Auf diese Zusammenhänge hat in der Neuzeit keiner mehr hingewiesen als de Sade.)