PROGRAMMHEFT

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4.I.81
Am Novalisstück den letzten Rest Theorie rasch ablegen. Zu „Texterem“ kommen. Seinen Grund aber hat es.

5.I.81
Theorie Bild Vier. Vormittags und abends zwei Stunden. Mir fehlt Klarheit über den psychischen Zustand des Bildes.

6.I.81
Was mir gestern fehlte, heute im Umriß. Dafür fehlt nun ungefähr alles andere, gestrige. Weder Laune noch Instinkt, nur ausdauernde Mühseligkeit. Bei der aber die Lust zur Sache abends als Gefühl für sie sich niederschlägt. Ohne daß ich bei der Begriffsuche einen Schimmer klarer sehe.

7.I.81
Nach Nacht und Morgen flüchtiges Gefühl vom vierten Bild.

8.I.81
Weiter gemurkst. Anfang fünftes Bild. Dann unterbrochen.

15.I.81
Theorie sechstes Bild. Ich müßte damit endlich fertigwerden. Zeit!

18.II.81
Das Bühnenspiel ist mir sehr nebensächlich. Es geht um den aus „Sysiphos“ herausgenommenen Punkt.

25.II.81
Unsäglich die Länge der Unterbrechungen. Das bißchen Theorie zu dem Stück, ohne zu wissen, was damit los ist. Es wird sich denn herausstellen, ob ich es bin, der in schöner Perspektive sich verliert.
Fahrlässig mit der Arbeit umgehend, würde ich es darauf ankommen lassen, daß sie kaputt ginge. Aber trotzend aller Mutwilligkeit, tut sich gar nichts. Das Thema erhält sich „ungetan“ und die Katastrophe ist alltäglich.

5.III.81
Konsequenz der Einstellung zum siebenten Bild vage.

6.III.81
Am Ende des Traumes fängt das Trauma an. Und am Ende des Traumas fängt das Drama an.

13.III.81
Ich habe eine einfache und eine mehrfache Methode zur Textherstellung für das Stück entworfen. Mir graust, und seit Mitternacht rede ich mir Mut zu, statt zu arbeiten. Die Sache selbst steht kopfschüttelnd daneben.

15.III.81
Telefonisch mache ich wenigstens die Titel der sieben Bilder bekannt. Schon das reicht.

16.III.81
Probiert. Material für das erste Statement (Freya).

25.III.81
Ich diffundiere durch meine sechzehn Figurationen. Diese durch ihre Inhalte.

13.IV.81
Mein Desinteresse auf den neuesten Stand gebracht.

4.V.81
Knurrenden Mutes. Statt mutig zu knurren.

5.XI.81
Ende Vorarbeit Stück. Nu fang aber auch an...

9.XI.81
„...am besten in einfacher, unmittelbarer, produktiver Verfügung der Arbeitskraft.“

11.XI.81
Mit der Not steigen die Ansprüche. Oder je weniger einem einfällt, um so mehr nimmt man sich vor.

10.XII.81
Ob das schon das ist, was ich wissen will? (Nach einem Drittel des ersten Statements.)

26.XII.81
Je schneller man denkt, um so langsamer arbeitet man. Oder je mehr man denkt, um so mehr Arbeit wird nicht fertig.

22.I.82
Anfang Statements Veteran.

12.II.82
Statements Arctur fertig.

14.III.82
Statements Veteran fertig.

26.III.82
Die Platonlektüre wirkt so drastisch, daß ich wie mit einem idealen Teil von der Arbeit weltentfernt scheine. Dennoch das Management der Statements für Bild Eins so weit.

1.VII.82
Von Unlust weiter beeindruckt am Stück. Vielleicht schafft eine Flasche Whisky, daß ich es hasse.

19.VII.82 Festgerannt.

20.VII.82
An meiner neuen Motivation scheint etwas dran zu sein. Jedenfalls bringt das Knirschen von gestern den Dreck aus der Mühle. Hoffentlich.

2.VIII.82
Zwei Tage vertan. Die Zeit geht her neben meiner Arbeit, wie die Fliegen sterben. Tot liegen sie neben den Papieren...

11.VIII.82
„Und da ihn sein Geist aufgab...“ (Bleibt er verantwortlich für mich?)

18.VIII.82
Statt voranzukommen, sitze ich auf meinem Sack und summse herum, wie eine alte Samenfliege. Die letzten drei Tage war ich in der kristallenen Erstarrung, die zu beschreiben daraus zu lernen ist.

22.IX.82
Der Eifer als Lustprinzip. Die Wonnen des Fleißes. Für mich ist es eine Woche der Abstinenz.

5.X.82
Faul. Beunruhigt. Doch irgendwie regeneriert.

6.I.83
Nicht was, ist das Drama. Daß ich es schreibe!

13.I.83
Gut und gerne dumm. Reglos der gleiche Handgriff. Im Kopf ensemblierend. Durch Draufsehen. Unbewegt lesend. (Kein Hölderlines Schreiten. Eher Glotzen.)

30.I.83
Es spielt jegliches auf seinem Zeremonium. Also die Sprache zu Wort kommen lassen. Die drei verwechseln immer Erde mit Welt. Etymorphisch...

7.II.83
Nicht einen künstlichen Abbruch herbeiführen, um einen natürlichen Spannungsverlust auszugleichen. Die erforderliche Spannung durchhalten, so daß das Ende als natürlicher Abbruch entsteht. (Theorie vom poetischen Abort.)

3.III.83
20 Uhr 59. Agonie der Utopie fertig.

 
 
Nach dem ersten Bild

Die Schematisierung des Lebens zu einem System von Symbolen. Broch.

Die achtzehn höheren Menschen, die in Verzweiflung zu Zarathustra kommen.

Die Spiel- und Würfelszenerie für die Weltordnung bei Novalis erinnert an Platon.

Der Staat, Zehntes Buch. Bevor die Seelen ihr neues Los ziehen.

Vielleicht sollte man Arctur bei seinem richtigen Namen nennen. Ein Fixstern.

Zu den andern Inseln des Himmels, an des Sirius goldne Küste, in die Geistertale des Arcturs. Hölderlin. Hyperion.

Ideologie ist das Trauma des Ich.

Romantik ist die Ideologie vom Individuum.

Das Ideologische zu überwinden bedeutet, das Individuum im Sinne des Romantischen zu überwinden.

Irgendwie ist Freya eine Art desolater Diotima.

Die fröstelnde Masturbantin. Naja.

Einst war romantisch, aus dem Eismeer ein Paradies machen zu wollen. Heute ist romantisch, das Eismeer, so wie es ist, als letztes Paradies erhalten zu wollen.

Hier sitzt das Problem. Renaissance der Romantik.

Das ist ein Sprachproblem.

Diese Gesänge sind also Sprachmasken.

Keine Handlungslinie. Nur Zustandserrichtung.

Je leerer die Dialektik läuft, um so mehr zurück kehrt der unmittelbare Idealismus.

Auch Broch.

 
 
Nach dem zweiten Bild

Wie schön ist die Oberfläche und wie ekelhaft ihr Wesen. Novalis.

Vermutlich. Sofern es noch Individualität geben sollte, so sollte sie verteilt werden auf möglichst viele Personen.

Aus der Erkenntnislosigkeit Aller erwüchse so die Dummheit des Einzelnen.

Oder Libido sciendi. Statt Männlichkeit.

Das erklärte das Versagen des Vaters.

Die Ausdehnungen des Möglichen wären vom Nullpunkt des Wirklichen her zu betrachten.

Und dieses, in eine erbärmliche Gleichgültigkeit zerfallende Leben so darzustellen, daß es nicht über uns hinausgeht und doch schön ist. Musil.

Das ist die Lage.

 
 
Nach dem dritten Bild

Theater mit Puppen? Ohne Physiognomie!

Sie sind etwas größer als ein Mensch. Ihre lapidare Gestik wird von einer Bühnenperson (stumm, Arbeitskleidung) während der Szenen eingestellt.

Manchmal bleibt eine Gestik, wenn sie dem Text gar nicht mehr entspricht... zum Beispiel ein augestreckter Arm...

Es schadet auch nichts, wenn eine Puppe einmal umfällt, eine Zeitlang liegen bleibt, bis der Text sie wieder braucht...

Die Bühnenperson bereitet die Gestik einer Puppe vor, ehe der Text sie begreiflich macht...

Der Text ist so verfasst, daß wir ohne Mühe erraten, welcher Puppe der jeweilige Text unterstellt ist.

Die Puppen verharren dazu in Grundmustern der Reflexe, reduzieren die Szene auf die wenigen Wendungen, die nicht verbal, sondern faktisch sind...

(Frisch. Tagebuch 1966/71.)

 
 
Nach dem vierten Bild

Wenn eine Weltanschauung zusammenbricht, ist es sogar der psychologischen Regel entsprechend, wenn alle entwurzelten Götter auf den Menschen zurückfallen.

(Jung. Werke. 15. Band.)

 
 
Nach dem fünften und sechsten Bild

Überall sind die Instinkte in Anarchie.

Überall ist man fünf Schritt weit vom Exzeß.

Das monstrum in animo ist die allgemeine Gefahr.

Die Triebe machen den Tyrannen.

Das Agonale findet günstigen Boden.

(Musil. Tagebücher. Heft 4. Anmerkungen Heft 4.)

 
 
Nach dem siebenten Bild

Die Wirklichkeit an ihrer Ideologie erklären.

Sagt Marx.

Die Ideologie an der Wirklichkeit messen.

Sagt der Dichter.

Die Chance scheint vertan.

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